„Kein Kuss für Mutter“ von Tomi Ungerer und die Frage „Wie wichtig sind Grenzen?“

„Kein Kuss für Mutter“ von Tomi Ungerer und die Frage „Wie wichtig sind Grenzen?“

„Kein Kuss für Mutter“ ist ein schmales, schwarzes, unscheinbares Buch. Auf dem Titelbild prangt eine grimmig schauende Katze mit verschränkten Armen, die Hauptfigur des Buches: Toby. 

Toby hat ein Problem mit seiner Mutter, die ständig Anlässe für Küsse findet. Toby will nicht ständig geküsst werden, was seine Mutter ignoriert. Der Vater scheitert am Versuch zu vermitteln, die Situation eskaliert.  Es kommt zu einem öffentlichen Streit, dem Schweigen folgt und schließlich ein Einlenken auf beiden Seiten: Mutter küsst nicht mehr, Toby entschuldigt sich. 

Die Situation ist vermutlich jedem bekannt. Immer wieder treffen wir im Leben auf Menschen, die unsere Grenzen nicht akzeptieren (wollen). Dabei fällt es uns oft leichter unseren Wünschen Nachdruck zu verleihen, wenn wir zur anderen Person keine emotionale Bindung haben. Bei Freunden und Familie steht uns genau diese Bindung oft im Weg.

Dennoch gilt auch hier die Redewendung: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Wenn man eigene Wünsche und Bedürfnisse nicht durchsetzt oder einfordert, wird es auch kein anderer tun. Im Buch wird damit zu lange gewartet, weshalb die Situation eskaliert.

Man kann aber oft schon viel früher das Gespräch suchen, um offen zu klären, wovon sich wer bedroht/ gekränkt/ verletzt/ gedemütigt etc. fühlt. Wer Angst hat diesen Schritt zu gehen, kann sich Hilfe suchen. Im Coaching kann man üben, wie man Konflikte anspricht und dabei selbstsicher, ruhig, konzentriert, fokussiert bleibt.

„Kein Kuss für Mutter“ ist eine schöne Geschichte, wenngleich die zwei Ohrfeigen im Buch irritieren. Dazu zwei Anmerkungen: Die Originalausgabe erschien 1973 in den USA – seitdem hat sich in der Kindererziehung viel verändert. Davon unberührt ist häusliche Gewalt existent.

Tomi Ungerer: Kein Kuss für Mutter, 1974, Diogenes Verlag, Zürich