„Liebes Kind“ von Romy Hausmann und die Frage „Was ist normal?“

„Liebes Kind“ von Romy Hausmann und die Frage „Was ist normal?“

Ich bin durch einen glücklichen Zufall auf dieses Buch gestoßen und konnte gar nicht aufhören zu lesen, so fesselnd ist es. 

Es geht um eine Familie: Vater, Mutter und zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Die Familie lebt in einer einsamen Hütte im Wald, abgeschottet von der Welt. Als Oberhaupt der Familie darf der Vater die Hütte verlassen. Er macht die Regeln und bestimmt den Tagesablauf. Die Kinder kennen kein anderes Leben. Ihnen wurde erzählt, dass sie zu ihrem Schutz dort sind. Die Mutter der beiden ist nicht freiwillig in der Hütte, ihr Mann hat sie gezwungen. 

Der Roman erzeugt beim Lesen ein Gefühl von Bedrohung, Enge, Angst – wie man es von einem guten Thriller erwartet. Man fürchtet sich beim Lesen vor dem Mann und hofft das Beste für Mutter und Kinder. Denen gelingt tatsächlich die Flucht. Die Kinder werden von einer Krankenschwester beaufsichtigt und befragt.

Während die Krankenschwester die Kinder seltsam findet, finden die Kinder die Krankenschwester seltsam. Sie kommen aus zwei verschiedenen Welten und jeder hält seine für die normale. Und das kommt Ihnen vermutlich bekannt vor.

Man kann im Gespräch mit anderen auf andere Welten und Lebensrealitäten stoßen, aber auch, wenn man sich von den Eltern löst und seine eigenen Wege entdeckt und geht. Manchmal holen alte Muster und Gedanken uns vielleicht ein. Einige von Ihnen kann man mit Abstand betrachten, nüchtern, analytisch, während andere an uns nagen, uns Probleme bereiten, uns festhalten.

Heute ist ein sonniger Tag. Der Frühling zeigt sich schon, die Natur erwacht aus dem Winterschlaf und beginnt einen neuen Lebenszyklus. Auch Sie können jetzt neu starten, können sich von Altem verabschieden und das Neue begrüßen. Gestalten Sie ihr Leben bewusst, aktiv und nach Ihren Werten. 

Auch für die Kinder im Buch ist das Loslassen des Alten nicht einfach. Sie verfallen in alte Muster, finden in der neuen Welt nur schwer eine Orientierung. Veränderung ist immer ein Prozess, der Zeit braucht und vor allem Nachsicht, Güte und Geduld mit sich selbst. Und was ist normal? Möglicherweise alles. Oder nichts.

Romy Hausmann: Liebes Kind, 2019, dtv, München