„Die deutsche Mutter“ von Barbara Vinken und die Frage „Wie frei sind wir von Vorurteilen?“
Die Autorin beleuchtet in ihrem Buch in drei Teilen den Begriff der Mutter. Zunächst ist das die Gegenwart mit den Schlagwörtern Gleichberechtigung, Vereinbarkeit von Familie und Karriere u.Ä., anschließend geht sie auf die Veränderung des Begriffs in der Geschichte ein und schließlich auf die Politik.
Dieses Buch hat viele Gedanken in mir geformt und mich mich und andere anders beobachten lassen. Es hat in mir vor allem die Frage geformt, warum wir Frauen von Männer erwarten gleichwertig, gerecht etc. behandelt zu werden und so oft selbst kein gutes Beispiel sind, weil auch Frauen gegenüber anderen Frauen nicht immer wertschätzend, gerecht etc. sind.
Die Mutterschaft ist ein zwiespältiges Thema. Auf der einen Seite ist sie etwas besonderes. Es ist eine ganz spezielle Verbindung zwischen zwei Menschen, die in manchen Aspekten für einen Außenstehenden vermutlich nicht nachvollziehbar ist. Auf der anderen Seite schafft sie Separation statt Verbundenheit, weil es eine soziale Rolle, die Männer nicht erfüllen können.
Wenn über Gleichberechtigung diskutiert wird, fällt immer irgendwann der Begriff der Mutter oder der Familie, was oft das Gleiche zu meinen scheint, wenn man Diskussionen und Debatten verfolgt. Und auch hier wird eine verbale Trennung aufgebaut zwischen verschiedenen Familienstatus, verschiedenen Lebensformen, verschiedenen Geschlechtern.
Mir wurde dieses Buch zum Lesen empfohlen und ich kann nur das gleiche tun. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass jeder seine eigenen Gedanken über sich und andere wahrnehmen und kontrollieren sollte, weil Ungerechtigkeit da beginnt. Und Gleichberechtigung wird so lange ein Thema sein, wie die Gesellschaft Begriffe für trennendes mehr nutzt als Begriffe für verbindendes. Das bezieht sich nicht nur auf die Mutterschaft sondern auch auf Hautfarben, sexuelle Neigungen, religiöse Überzeugungen usw.
Falls Sie nicht wissen, wo sie anfangen sollen und wie Sie etwas in sich verändern können, habe ich eine Übung für Sie: Versuchen Sie an ihrem Gegenüber etwas positives zu finden, wie unscheinbar und klein es auch sein mag.
Und die Mütter? Nun, zumindest haben Sie heute theoretisch mehr Möglichkeiten als noch vor 20 Jahren und alles, was Mütter wollen, sollte akzeptiert werden ohne darüber zu urteilen. Egal ob sie nach Ende des Mutterschutzes wieder arbeiten gehen wollen/müssen, egal ob sie drei Jahre oder länger zu Hause bleiben möchten, egal ob das Kind in die Krippe geht, gestillt wird oder oder oder. Auch an jeder Mutter kann man etwas positives finden, selbst es unscheinbar und klein und weit weg von den eigenen Werten ist.
Barbara Vinken: Die deutsche Mutter – Langer Schatten eines Mythos, 2001, Piper Verlag, München